Training von / Umgang mit Fremdhundbegegnungen

  • Hallo ihr Lieben,


    unsere Hunde - Lucy und Rico - möchten beide mit den meisten Fremdhunden am liebsten nichts zu tun haben, und sie reagieren beide teils sehr heftig, wenn ein Fremdhund ihre Individualdistanz unterschreitet. Da ich davon ausgehe, dass wir mit diesem Problem nicht ganz allein auf der Welt sind, dachte ich, man könnte sich hier vielleicht ein wenig über dieses Thema austauschen. :smiling_face:


    Mit beiden Hunden haben wir viel mit "Click für Blick" gearbeitet. Lucy wird außerdem am Halti an anderen Hunden vorbeigeführt, da sie die Grundeinstellung hat, alles selbst in die Hand nehmen zu wollen und das Halti sie daran erinnert, dass es ihr zweibeiniger Weggefährte ist, der führt und die Dinge regelt. :winking_face: Durch diese Maßnahmen kommen wir mit Lucy inzwischen recht gut an anderen Hunden vorbei, vorausgesetzt, es ist nicht allzu eng.


    Bei Lucy haben wir allerdings den unschätzbaren Vorteil, dass sie wesentlich ernster genommen wird als der kleine Rico. Wenn man Lucy mit Halti an der Leine führt, sie sichtbar nervös ist und man dann noch einen Bogen schlägt, dann begreifen die meisten Hundehalter, dass es sinnvoller wäre, den eigenen Hund ebenfalls anzuleinen (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel :face_with_rolling_eyes: ). Bei Rico passiert es wesentlich häufiger, dass andere Leute das Anleinen bzw. bei sich Behalten ihres Hundes nicht für nötig halten, denn der Kleine sieht ja so süß und harmlos aus. Ein "Der möchte keinen Kontakt!" bringt nur allzu oft GAR NIX. Leider verwandelt sich "der Süße" dann nicht selten in eine Furie... Doch nicht mal dann wird er ernst genommen, sondern oftmals in einem halb begütigenden, halb herablassenden Tonfall als "kleine Zicke" oder Ähnliches bezeichnet. :thumbs_down:


    Jedenfalls war ich der Ansicht, dass Rico zu häufig und zu heftig ausrastet und hatte das Gefühl, mit meinem derzeitigen Training in einer Sackgasse zu stecken. Meine Stamm-Hundeschule bietet keine Kurse speziell zu diesem Problem an (und Einzeltraining funktioniert bei Artgenossen-Problematiken ja nicht sooo gut :winking_face: ); zudem legte mir die Trainerin ans Herz, dass ich es mir leichter machen würde, wenn ich Rico erst mal kastrieren ließe (wenigstens chemisch). :ommmm: Da das nicht infrage kommt und sie mir keinen geeigneten Kurs anbieten konnte, empfahl sie mir eine andere, noch relativ neue, Hundeschule in meiner Nähe, die "Social Walks" anbietet. Das Ende vom Lied: Ich war in den letzten Wochen in dieser Hundeschule und bin insgesamt sehr zufrieden. Das Konzept überzeugt mich sehr: Die Trainerin bietet Begegnungsspaziergänge mit je ca. drei Mensch-Hund-Teams an, auf denen alle Hunde an der Leine bleiben und das Ziel ist, dass sie in Gegenwart der anderen Hunde entspannt und friedlich mitlaufen. Diese Spaziergänge kann man einzeln buchen. Bevor man aber daran teilnehmen kann, muss man einen aus vier Trainingseinheiten bestehenden Kurs besuchen, in dem man "Basics" an die Hand bekommt, die es ermöglichen, den Hund in Gegenwart von Artgenossen zu händeln. Mir gefiel gut, dass die Trainerin sehr darauf achtete, auf jeden Hund und seine jeweilige Problematik individuell einzugehen.


    Bei Rico erkannte sie schnell, dass er nicht aktiv Streit sucht, sondern eigentlich bloß seine Ruhe haben möchte. Unser Problem sah sie darin, dass Rico durch das "Click für Blick"-Training in einen Trainingsmodus verfalle, der eine gewisse Anspannung mit sich bringe. Dadurch entspanne er sich nicht wirklich und das Risiko, dass die Situation plötzlich kippt und er ausrastet, sei höher. Außerdem komme er durch das ständige Hund-anschauen-mich-anschauen nicht dazu, den anderen Hund in Ruhe zu beobachten und einzuschätzen. So könne es vorkommen, dass der andere Hund z. B. plötzlich viel näher sei, als Rico gedacht habe, er sich dadurch erschrecke und ausraste. Deshalb schlug sie uns das sogenannte BAT-Training vor - von dem ich vorher noch nie gehört hatte. Das Grundprinzip ist, dass der Hund selbst entscheiden darf, wie viel Nähe oder Distanz zum Fremdhund er haben möchte. Der Hundeführer hält sich hinter dem angeleinten Hund und überlässt ihm weitgehend die Führung. Der Hund darf den Fremdhund in aller Ruhe beobachten; wenn er seitlich schnüffeln oder langsam / im Bogen auf den Fremdhund zugehen möchte, folgt ihm der Hundeführer einfach. Nur wenn der Hund schnell und straight auf den Fremdhund zu will, die Leine sich also flott nach vorne strafft, bremst man den Hund sanft von hinten aus. Man sollte sich aber bemühen, die Leine direkt wieder zu lockern, da ein Hund in strammer Leine nicht entspannt stehen kann. Will der Hund dann wieder nach vorne, bremst man wieder, bleibt er stehen, lässt man ihn eine Weile schauen. Trifft der Hund die Entscheidung, sich vom Fremdhund ab- und seinem Menschen zuzuwenden, wird dies freudig gelobt und evtl. mit einem Leckerchen, auf jeden Fall aber immer mit einer zügigen Distanzvergrößerung zum Fremdhund belohnt. Schafft der Hund es dagegen gar nicht, sich abzuwenden und fängt an, den Fremdhund anzustarren, bewegt sich der Hundeführer in Form eines Viertelkreises langsam an die Seite des Hundes, sodass er in dessen Blickfeld kommt. Dies veranlasst den Hund oftmals, sich dem Menschen zuzuwenden, nach dem Motto: "Ach ja, du bist ja auch noch da, so ein Glück!" Das wird dann wieder mit Distanzvergrößerung und evtl. Leckerchen belohnt.


    Rico fühlte sich mit diesem Training anfangs total überfordert, was er durch fast ständiges Jammern und Weinen deutlich machte. Die Trainerin meinte, das liege daran, dass ich ihm früher eben immer viel abgenommen hätte, indem ich ihn in den "Arbeitsmodus" gebracht hätte. Wir zogen es trotzdem durch und in der nächsten Trainingseinheit war es schon deutlich besser. Ich habe den Eindruck, dass das für Rico wirklich der richtige Weg ist. Besonders viel hatten wir mit einem freundlichen, aber ungestümen Labradorrüden trainiert, der ebenfalls in der Gruppe war. Nachdem Rico den vier Trainingseinheiten lang auf der Ferne "kennenlernen" konnte, war er am Ende der letzten Trainingseinheit so weit, dass er in eindeutig freundlicher Absicht zu dem Rüden hin wollte. :smiling_face: Die Trainerin meinte daraufhin, sie schätze Rico so ein, dass er eigentlich nichts gegen andere Hunde habe, aber einfach seine Zeit brauche, um den neuen Bekannten einschätzen zu können.


    Insgesamt finde ich das BAT-Training für uns sehr vielversprechend und werde bei dieser Trainerin definitiv noch weitere Stunden buchen, um das Gelernte zu vertiefen. Einen großen Nachteil hat diese Methode allerdings: Jetzt, wo ich bei Hundebegegnungen zwar einen Bogen einschlage, meinen Hund aber scheinbar lässig schauen lasse, fühlen viele Hundehalter sich erst recht bemüßigt, ihren Tut-Nix zu uns hinlaufen zu lassen. :ommmm: Mein "Das ist keine gute Idee, behalten Sie Ihren Hund bitte bei sich!" wind noch weniger ernst genommen als früher, wo ich Rico sehr deutlich zu mir und in eine konzentrierte Arbeit genommen habe. Das ist ein echtes Manko, weil jeder Ausraster uns natürlich letztlich zurückwirft. :frowning_face:



    So, ich freue mich über jeden, der diesen Roman zu Ende gelesen hat! :dankeschoen: Und ich freue mich über einen Austausch über dieses teilweise doch sehr nervenaufreibende Thema, besonders aber über hilfreiche (und weniger hilfreiche) Trainingsmethoden!


    Liebe Grüße
    Amica

    Although I keep my social distance, what this world needs is a hug.
    Until we find a vaccination there's no substitute for love.
    So love yourself and love your family, love your neighbor and your friend.
    Ain't it time we loved the stranger, they're just a friend you ain't met yet.

    Jon Bon Jovi

  • Wofür steht das BAT?


    Und grundsätzlich arbeite ich mit Lani auch so.
    Obwohl sie ja gar nicht pöbelt.
    Aber ich lasse ihr immer Zeit, in der von ihr gewünschten Distanz den anderen Hund zu beobachten.
    Bis auf wenige Ausnahmen - in engen Fußgängerzonen... etc. - läuft Lani an einer 3m „Schleifleine“ die wirklich zwischen uns auf dem Boden schleift (ist Biothane), damit von meiner Seite aus nie ein Zug/Druck über die Leine auf den Hund kommt, sie aber zur Not doch gesichert ist. Und auch von Lanis Seite kommt kein Zug... sie läuft neben mir in leichter „höflicher“ Distanz.
    Ich hatte mir das mit Klein-Lani so „erarbeitet“ und es ist für uns bis heute optimal.


    Ich halte - als Dauerzustand - von Click oder „Schau“ und Blick gar nichts (mehr), weil es eben zu ständiger Anspannung führt und ganz schnell jede Hunde-Begegnung zu einer „Situation“ werden lässt.
    Außerdem habe ich mit Alfke lange so gearbeitet und der Erfolg war gleich Null.


    Versuch mal, bei den Tutnixen schneller im Wegbrüllen zu sein, als Rico. :thumbs_up:
    Klingt blöd bis irre, macht aber bei unseren ja eher unsicheren Hunden mordsmäßig Eindruck.
    Lani lässt mich ihr unangenehme Situationen immer regeln, kommt von sich aus, ohne, dass ich sie anspreche, hinter mich, weil ich wirklich nach vorne auf und in den anderen Hund gehe.
    Wie deren Halter das finden ist mir tooootal egal. (Sie bekommen, wenn es geht, immer vorher ne Chance ihren Hund abzurufen, d.h. ich „warne“)
    Mein Leitspruch ist: „Am Ende des Tages, geh‘ ich mit Lani nach Hause..., was die andern denken, ist nicht mein Problem.“ :thumbs_up:


    Aber zurück zu eurem Training: das hört sich doch gut an :thumbs_up:
    Und, Rico wird meiner Meinung nach nie ein Hund werden, der gerne fremden Hunden begegnet. Auch mit ganz viel Training nicht. Dafür hat er auch die „Abwehrhaltung und -handlung“ schon viel zu sehr verinnerlicht.
    Manchen Hunden dieses Typs - hab ich gelernt - tut man den größten Gefallen, wenn man sie so wenig wie möglich den Situationen, die sie immer stressen werden, aussetzt. Also Gegenden wählt, wo wenig bis keine Begegnungen zu erwarten sind.
    Alfke wurde erst dann gelassener, als er nicht mehr dem Stadthunde-Treiben ausgesetzt war. Denn stressen tun ja nicht nur die tatsächlichen Begegnungen, es sind vielfach schon die Geruchsspuren der anderen Hunde, die den Stresspegel ansteigen lassen... :confused:


    :red_heart: liche Grüße von Carola mit Lani :pfote:


    „If you choose to live with a dog please take the time to learn about dog behavior and their individuality and who they are and what they want and need ...“ (Marc Bekoff)

  • Hallo Amica!


    Ich finde das Thema sehr interessant und lese gern mit. Oskar ist auch einer, der Artgenossen nicht unbedingt braucht :face_with_rolling_eyes: Er pöbelt auch gern an der Leine :thumbs_down:


    Bisher hab ich auch immer versucht, ihn auf mich zu fixieren, sprich in den Trainingsmodus zu gehen. Je nach Timing klappte das mal besser, mal schlechter.


    Bin auf Eure Entwicklung gespannt :thumbs_up:

    Es gibt ein Leben ohne Hund, es lohnt sich nur nicht!

  • Wofür steht das BAT?

    Behavior Adjustment Training


    Ich kann sagen BAT ROCKT!


    Es ist so herrlich unspektakulär wie es effektiv ist.


    Beim Hundehalter schult es den Blick auf den eigenen Hund und das Leinenhandling.


    Der Hund lernt das er nicht pöbelnd nach vorne gehen muss, weil das andere Ende seiner Leine auf ihn und seine Körpersprache achtet und er das Tempo und den Weg vorgibt.


    Ich habe zwei Wochenendseminare zum Thema BAT gemacht und kann es jedem der einen "Leinenpöbler" oder auch einen Hund der aus anderen Gründen bei Begegnungen mit anderen Hunde "Schwierigkeiten" empfehlen.


    Auch wenn ich keinen "Leinenpöbler" habe, es es für mich und Cordt in der Großstadt mit Hundebegegnungen viel entspannter geworden. Und ich klinke mich immer wieder gerne für einzelne Trainingseinheiten bei meiner Trainerin mit ein, wenn Platz in den Trainings-Einheiten ist.


    Wer sich dazu belesen mag, es gibt ein Buch. "Hund trifft Hund" von Katrin Lismont.

  • Danke dir @Dackel Cordt :flowers:


    :red_heart: liche Grüße von Carola mit Lani :pfote:


    „If you choose to live with a dog please take the time to learn about dog behavior and their individuality and who they are and what they want and need ...“ (Marc Bekoff)

  • Ich halte - als Dauerzustand - von Click oder „Schau“ und Blick gar nichts (mehr), weil es eben zu ständiger Anspannung führt und ganz schnell jede Hunde-Begegnung zu einer „Situation“ werden lässt.
    Außerdem habe ich mit Alfke lange so gearbeitet und der Erfolg war gleich Null.

    Bei Rico funktionier Clickern ja grundsätzlich sehr, sehr gut. Ich arbeite auch im Antijagdtraining mit "Click für Blick" bzw. (je nach Situation) "Click fürs Abwenden". Das funktioniert super. Ja, es generiert eine gewisse Anspannung, aber beim Jagen ist es, glaube ich, gerade hilfreich, wenn Rico bei Wildsichtung in einen Trainingsmodus verfällt und sich denkt: "Oh, ein Kaninchen, alles klar, jetzt üben wir das wieder." Auch bei Fremdhundbegegnungen hat es uns weiter gebracht - aber eben nur bis zu einem gewissen "Plateau", und auf diesem stehen wir jetzt. Nun hoffe ich, dass uns das BAT-Training noch weiterbringt.


    Versuch mal, bei den Tutnixen schneller im Wegbrüllen zu sein, als Rico.

    In dieser Hinsicht arbeite ich permanent an mir selbst. Das offensive Verhalten gegenüber den Hunden ist überhaupt nicht mein Problem, aber ich provoziere sehr ungerne Streit mit anderen Menschen und habe, obwohl ich ständig die gegenteilige Erfahrung mache, immer im Kopf: "Das muss man doch freundlich regeln können." :face_with_rolling_eyes: Ich bin einfach ein Mensch, der nicht erne aneckt. Aber mir ist völlig klar, dass du recht hast, und ich werde auch allmählich besser im Wegblocken.


    Und, Rico wird meiner Meinung nach nie ein Hund werden, der gerne fremden Hunden begegnet. Auch mit ganz viel Training nicht. Dafür hat er auch die „Abwehrhaltung und -handlung“ schon viel zu sehr verinnerlicht.

    Das ist mir vollkommen bewusst. Sowas wie Gruppenspaziergänge, Hundewiese etc. habe ich auch überhaupt nicht auf meiner To-Do-Liste. Wir haben bestimmte einzelne Hunde, mit denen Rico befreundet ist und mit denen gemeinsam wir spazierengehen können - das reicht mir. Mehr muss nicht drin sein. Aber man kann halt Hundebegegnungen nicht immer vermeiden und ich finde einfach, er braucht nicht stärker abwehrend zu reagieren als nötig. Er darf knurren, er darf Zähne zeigen usw., aber reagiert teilweise echt überzogen und das möchte ich nicht.



    Manchen Hunden dieses Typs - hab ich gelernt - tut man den größten Gefallen, wenn man sie so wenig wie möglich den Situationen, die sie immer stressen werden, aussetzt. Also Gegenden wählt, wo wenig bis keine Begegnungen zu erwarten sind.

    Das tun wir tagtäglich. :winking_face: Aber ich denke nicht, dass Rico ein Hund ist, mit dem ich mich permanent verstecken muss. Ich schätze ihn schon so ein, dass er noch lernen kann, sich in Hundebegegnungen ein bisschen mehr zu entspannen. Letzten Endes werde ich die Situation so annehmen, wie sie ist, und mich Rico anpassen, damit er möglichst wenig Stress hat. Aber ich habe einfach den Eindruck, dass es für uns noch "Luft nach oben" gibt, und die möchte ich nutzen, damit wir so wenig wie möglich eingeschränkt sind.



    Wer sich dazu belesen mag, es gibt ein Buch. "Hund trifft Hund" von Katrin Lismont.

    Danke für deinen Beitrag, Dackel Cordt! Das Buch habe ich schon gelesen. :grinning_face_with_smiling_eyes:


    Liebe Grüße
    Amica

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  • Tja, ich habe hier 3 solche Leinenpöbler und das kann ganz schön nervig sein.


    In der Gruppe ist es eigentlich ganz klar, warum sie das machen:
    Sie fühlen sich zu dritt einfach stark und sagen jedem Fremdhund erst einmal, dass er nicht dazugehört.
    Dabei pushen sie sich natürlich gegenseitig extrem hoch, Willow ist hier noch am Besten abzulenken.
    Offline würden sie auch auf den Fremdhund kläffend zurennen, das ist mir leider schon einmal passiert - sie haben den Hund bellend umkreist und bedrängt, das war mir unglaublich peinlich. Seitdem versuche ich Wege zu gehen, auf denen mit möglichst niemand begegnet.
    Geprügelt haben sie sich allerdings noch nie.
    Wenn sie angeleint sind ist es kein Problem, erst einmal mit dem Fremdhund ein paar Meter zusammen zu gehen und sie dann abzuleinen. Sie kennen auch Spaziergänge in großen Gruppen. Dabei spielen sie allerdings auch nicht, sondern machen ihr Ding. Theoretisch brauchen sie keinen anderen Hunde.


    Mit jedem allein sieht es etwas anders aus:
    Neo interessiert sich gar nicht für vorbei gehende Hunde, ihn kann ich auch ohne Leine mit Kommando daran vorbei führen.
    Willow ist leicht vorsichtig, orientiert sich dabei aber an mir. Sie würde dann schon auch hingehen wollen, lässt sich aber von mir leiten.
    Smilla ist eine totale Kläffnase, sie bellt dann auch richtig hysterisch und steigert sich da rein. Das hysterische Bellen hat aber nichts mit Angst oder ähnlichem zu tun, sondern ist einfach ihre nervige Tonlage, die sie von der Mutter geerbt hat. Sie betrachtet mich seit dem Welpenalter als Ressource, das hat sie schon in der Welpenschule gemacht. Sie ist, ganz rasseuntypisch, schon am ersten Tag mit hoch erhobener Rute durch die Menge gelatscht, aber sobald sich mir ein Welpe näherte, ist sie zurück und wollte ihn vertreiben. Ihr passt es heute noch nicht, wenn ich einen anderen Hund (selbst Neo und Willow) streichele, hat aber gelernt es mit angesäuertem Gesichtsausdruck hinzunehmen.
    Smilla ist hier tatsächlich mein größtes Problem. Sie hat auch eine ordentliche Portion Hütetrieb.


    Ich habe leider noch kein Patentrezept gefunden.

    Wir können alles, nur fliegen noch nicht - aber wir arbeiten daran.
    Der Leitspruch der spanischen Wasserhunde und insbesondere von Neo, Willow und Smilla mit ihrem Menschen Tina

  • Zuerst will ich mal sagen, dass es ungeheuer erleichternd ist, zu wissen, dass auch man nicht alleine ist. Und auch Leute mit mehr Erfahrung da manchmal ratlos sind.


    Am Anfang hat Andy jeden fremden Hund angekläfft, den er gesehen hat. Mit Schönfüttern, "Schau und Lob" sind wir erstmal relativ fix soweit gekommen, dass zumindest Hunde hinter Zäunen und weit entfernt ignoriert werden und er da entspannt bleibt.


    Zitat von Amica

    Auch bei Fremdhundbegegnungen hat es uns weiter gebracht - aber eben nur bis zu einem gewissen "Plateau", und auf diesem stehen wir jetzt.

    So geht's mir auch.
    Allerdings denke ich, dass sich bei uns die Motivation für die Motzerei geändert hat. Andy hat ja erst mit seiner Mutter zusammengelebt. Und ich glaube, dass er sich einfach seine ersten 6 Lebensjahre an ihr orientiert hat. Plötzlich war er auf sich allein gestellt und er konnte sich ja auch nicht sicher sein, dass er sich auf uns als neue Besitzer verlassen konnte. Deshalb hatten wir eben anfänglich relativ schnell Fortschritte gemacht, je mehr Vertrauen er zu uns hatte.
    Inzwischen ist der Stand so, dass er auf Hündinnen und kastrierte Rüden überwiegend freundlich, wenn auch etwas quitschig, reagiert. Aber er ist ansprechbar und lässt sich vorbei führen. Mit bekannten Hunden wird nicht groß gespielt, höchstens mal kurz gerannt und ansonsten macht er einfach sein Ding. Prinzipiell bräuchte er nicht unbedingt andere Hunde. Wir gehen aber durchaus regelmäßig mit bekannten Hunden spazieren. Das hat aber mehr mit meinem Bedürfnis nach sozialen Kontakten zu tun als mit seinem.
    Unser Supergau sind intakte Rüden, besonders wenn sie uns entgegen kommen. Dann mutiert er zum Büllaffen und wenn er könnte, wie er wollte, würde er dem anderen gerne zeigen, wo der Frosch die Locken hat.
    Die anfängliche Unsicherheit ist Machogehabe gewichen. Ich bin inzwischen dazu übergegangen, ihm mit hinter mich nehmen und blocken klar zu machen, dass dieses Verhalten nicht akzeptabel ist. Wobei ich natürlich schon auch Bögen laufe und versuche Abstand zum anderen Hund zu halten. Aber einen anderen Hund, der uns auf der anderen Straßenseite entgegenkommt und der Andy nicht mal angeguckt hat, völlig hysterisch anzubrüllen, ist schlicht inakzeptabel. Interessanterweise kommt er so nach seiner Brüllattacke auch schneller wieder runter, wenn ich ihm einen engen Rahmen stecke.
    Es ist mir am Anfang schwer gefallen, so "streng" zu reagieren. Aber anscheinend hilft ihm das mehr und er kann sich schneller wieder entspannen.

    LG Petra mit Andy


    Mein Hund ist ein Dacia. Das Statussymbol für alle die kein Statussymbol brauchen... :grinning_squinting_face:

  • Ich bin leider auch betroffen.
    Zuerst war alles wirklich gut. Zu zweit hatte ich nie ein Problem damit. Auch als Möppi dann einzog war alles gut.
    Doch nach einiger Zeit fing er sehr stark an zu Pöbeln. Von der Gruppendynamik ganz zu schweigen.


    Wir sind damit im Training bei einer Hundeschule, weil ich alleine viel versucht hatte. Und jeder Hund doch individuell reagiert und auch eine andere Motivation für diese Leinenagression hat.
    Bei Möppi sind wir auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ende.


    Das Fazit ist, dass ich nur noch getrennt gehe, ins Nichts fahre wo ich garantiert keine Hundebegegnung habe, oder nicht der einzige Mensch bin.

    Liebste Grüße Susa und die elf Pfoten :red_heart:

  • Ich finde das ganz interessant.



    Insgesamt finde ich das BAT-Training für uns sehr vielversprechend und werde bei dieser Trainerin definitiv noch weitere Stunden buchen, um das Gelernte zu vertiefen. Einen großen Nachteil hat diese Methode allerdings: Jetzt, wo ich bei Hundebegegnungen zwar einen Bogen einschlage, meinen Hund aber scheinbar lässig schauen lasse, fühlen viele Hundehalter sich erst recht bemüßigt, ihren Tut-Nix zu uns hinlaufen zu lassen. Mein "Das ist keine gute Idee, behalten Sie Ihren Hund bitte bei sich!" wind noch weniger ernst genommen als früher, wo ich Rico sehr deutlich zu mir und in eine konzentrierte Arbeit genommen habe. Das ist ein echtes Manko, weil jeder Ausraster uns natürlich letztlich zurückwirft.

    Hört sich doof an, aber: Stört er sich an einem Verband?


    Denn, genau das ist auch oft mein Problem: In der HS mit den Regeln, an die sich jeder hält, geht alles. Da fixiert Enzo nicht, da macht er nicht den dicken, da geht er locker an der Leine.
    Aber, dann kommt uns im Feld einer entgegen und lässt seinen Hund komplett fixieren - und ich trainiere dann... Da hab ich dann echt mal nen Verband dran gemacht und Enzo dann absitzen lassen (höhö, kranker Hund) und konnte mich besser auf den anderen Hund konzentrieren. Das hat Enzo die Sicherheit gegeben, selbst wenn der andere fixiert, Frauchen macht den nieder wenn er kommt.
    Denn, Training hat man ja einmal die Woche, man geht ja aber meistens 2x am Tag raus...


    Auf die Idee bin ich gekommen, als Enzo mal für ne kleine Runde seinen Regenmatel (eigentlich fürs Winter) anhatte, weil er nicht nass werden sollte. Alle HH SO "oh, was hat er denn?" "Nein, lass den heute mal in Ruhe"...


    Sonst kann ich leider nicht viel dazu sagen, Enzo ist lieber freudig auf andere losgestürmt :face_with_rolling_eyes: Das fixieren kam erst, als andere Rüden ihn auch für voll genommen haben und ihn provoziert haben...

  • Balou legt, außer natürlich bei läufigen Hündinnen, keinen Wert auf Fremdhundekontakte, auch nicht bei bekannten Hündinnen. Bei diesen Hündinnen muss er sich immer ganz wichtig mit schnüffeln beschäftigen und hält sich ein bisschen entfernt auf. Er erträgt aber Kontaktaufnahmen. Er kommt mit intakten Rüden in seiner Größe klar wenn sie nicht aufdringlich sind und ihn im besten Fall ebenfalls ignorieren.


    Seine bevorzugte Taktik bei Fremdhundsichtung ist Freeze,das kann „nur“ erstarren sein oder er legt sich auf den Boden. Daher ist das BAT-Training nichts für uns denn die „Tut Nix“-Halter lassen ihren Hund natürlich zu Balou wenn der stehen bleibt. Ich gehe daher mit Balou an der abgewandten Seite an Fremdhunden vorbei.


    Ich nehme die Hunde regelmäßig mit in die Fußgängerzone und dort ist keine Leinenpflicht was für mich absolut nicht nachvollziehbar ist. Nach ein paar Jahren Hundehaltung bin ich mittlerweile soweit, dass es mir egal ist wer wo seinen Hund frei laufen lässt solange der Hund beim Menschen bleibt. Das ist aber nicht für alle freilaufende "Tut Nixe" die Grundvoraussetzung und die Fußgängerzone scheint ein guter Ort für ein lustiges Hundespiel zu sein. :face_with_rolling_eyes:
    Wenn ich dann sage, dass mein Hund keinen Kontakt möchte ist der Hund asozial, woran ich natürlich schuld bin oder der eigene Hund kennt kleine Hunde (Dieser Hund lebt mit einem JRT zusammen, es wäre also schlimm wenn das nicht so wäre).


    Ich habe mit Balou die Erfahrung gemacht, dass sich viel von meiner Stimmung auf ihn überträgt. Seitdem ich ohne mich aufzuregen an anderen Hunden vorbeigehe bleibt auch er ruhig. Und für die Lieblingsfeinde hier im Dorf reicht eine Straßenbreite. Im Dorf kennt man sich ja zum Glück und bei Hundehalter deren Rüde ebenfalls keine Rüden mag weicht einer aus.


    Ich war mal in einer Rüpelgruppe mit Balou in der auch Hunde waren die wegen einem ernsthaften Artgenossenproblem einen Maulkorb brauchten. Als Solidarität mit diesen Hunden sollte alle Hunde einen Maulkorb tragen. Und mit Maulkorb hat Balou „ganz kleine Brötchen gebacken“ und sich sogar hinter mir versteckt was er ohne MK nie tun würde denn Balou regelt seine Angelegenheiten selber, wenn es sich ergibt auch mit einem Hovawart. Aber mit MK hat der Rüpel nicht gerüpelt, daher hat das Begegnungstraining dort keinen Sinn für uns gemacht obwohl ich große Stücke auf die Trainerin halte.


    Hermann ist vor drei Jahren als hysterischer Beller eingezogen der bei Hundesichtung nicht mehr ansprechbar war. Er bellt nur noch selten bei Fremdhunden und das sind dann Hunde die er auch kennenlernen möchte,also Hunde in seiner Größe. Er reagiert auf ein „lass es“ und guckt mich dann an. Ich muss aufpassen, dass er mich nicht manipuliert in dem er einmal kurz wufft und mich dann in Erwartung eines Leckerchens anguckt denn ich möchte,dass wir an Fremdhunden auch ohne ein Wuff vorbeikommen.


    Ich habe mich jetzt schon mal dabei erwischt, dass ich froh war dass Hermann mal wieder ausrastet denn dann wurden die "Tut Nixe" eingesammelt. Es reicht scheinbar wenn 5 Kilo eskalieren. Böse, gemein und nicht sinnvoll was unser Training angeht, ich weiß aber ich bin es wirklich leid, dass es manchen Hundehaltern völlig egal ist was ihr Hund macht und wie es anderen Hundehaltern dabei geht.


    Ich habe also zwei unterschiedliche Pöbeltypen: Balou rastet aus wenn ihm der Fremdhund am Fell hängt und bleibt ruhig bei ausreichend Abstand, Hermann rastet (selten mittlerweile) aus wenn er den Fremdhund sieht, hat aber kein Problem mit einem Kontakt. Mogli ist die Schweiz und daher neutral.

    Liebe Grüße von meiner "Männer-WG" und Selina


    Die Reise des Lebens in der Gesellschaft von Hunden ist wie eine Reise mit Engeln, Führern, Hütern, Hofnarren, Schatten und Spiegeln.
    Suzanne Clothier

    2 Mal editiert, zuletzt von CrazyDogs ()

  • Zuerst will ich mal sagen, dass es ungeheuer erleichternd ist, zu wissen, dass auch man nicht alleine ist. Und auch Leute mit mehr Erfahrung da manchmal ratlos sind.

    Das geht mir auch so!! :smiling_face:


    Hört sich doof an, aber: Stört er sich an einem Verband?

    Hmm, Gott sei Dank brauchte er noch nie einen. :smiling_face: Müsste ich mal ausprobieren; ich kann ihn da schlecht einschätzen. Manchmal ist er ja schon ein wenig mimimi, andererseits bin ich manchmal auch überrascht, was er sich alles so entspannt gefallen lässt...


    Daher ist das BAT-Training nichts für uns denn die „Tut Nix“-Halter lassen ihren Hund natürlich zu Balou wenn der stehen bleibt. Ich gehe daher mit Balou an der abgewandten Seite an Fremdhunden vorbei.

    Das BAT-Training ist auch explizit für Hunde gedacht, die eher reaktiv unterwegs sind und nicht offensiv Kontakt (sei es nun friedlich oder aggressiv) suchen. Daher bin ich ganz sicher, dass es nicht für jeden Hund, der ein Fremdhundeproblem hat, geeignet ist. Andererseits war ich aber selber überrascht, wie gut und schnell es bei Rico funktioniert hat. Ich hätte gedacht, dass er, wenn ich hinter ihm bleibe und gar nicht auf ihn einwirke, auf jeden Fall ins Drohfixieren kommen würde - das war aber nicht der Fall. Ich war ganz baff, wie er teilweise völlig selbstständig auf die Idee kam, beschwichtigend am Wegrand zu schnüffeln und auch, sich zu mir umzudrehen. Letzteres, meinte die Trainerin, könne durchaus an dem "Click für Blick"-Training liegen, weil er eben schon gelernt hat, dass ein Blick zu Frauchen eigentlich nie verkehrt ist. :grinning_face_with_smiling_eyes:

    Ich habe mit Balou die Erfahrung gemacht, dass sich viel von meiner Stimmung auf ihn überträgt. Seitdem ich ohne mich aufzuregen an anderen Hunden vorbeigehe bleibt auch er ruhig.

    Das geht uns auch so, reicht bei Rico alleine aber nicht aus. Klar, man kann seine Stimmung nur sehr bestimmt kontrollieren, aber ich habe schon probiert, mich bei Hundebegegnungen gezielt zu entspannen, tief durchzuatmen, zu summen... Dann dauerte es vielleicht ein bisschen länger, bis Rico explodierte, aber verhindern konnte ich es allein durch Ruhe nicht. Umgekehrt haben wir auch Begegnungen (v. a. mit Hündinnen), die friedlich verlaufen, obwohl ich angespannt bin.


    Liebe Grüße
    Amica

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    Jon Bon Jovi

  • Frieda ist natürlich ein Paradebeispiel für Pöbelei...


    Warum sie dies hat bzw. ob es mit ihrem Vorleben bei ihrem früheren Halter zusammenhängt, ist nicht abzuklären.


    Aber jegliche Versuche, ihre Fixierung auf den Feind zu unterbrechen, scheitern kläglich. Sie MUSS da hin! Wie ferngesteuert. Und selbst auf weiter Flur sucht sie die Gegend nach "Opfern" ab. Sie ist permanent am Scannen.


    Sie macht auch noch Unterschiede im Pöbeln je nach Größe, Farbe und Reaktion des Gegenübers. Kleine "Handtaschenhunde", dazu noch in weiß, nimmt sie am Liebsten auseinander. Zumal diese auch zumeist kontra geben.
    Bei den Rassen hat sie sich speziell auf Beagle eingeschossen. Auch diese reagieren auf Madame und verstärken damit die Ausraster.
    Größere, schwarze Hunde sind eher keine Auslöser. (bis auf ihren einen Todfeind, der Frieda auf weit über 180 bringt und das in 0,0 Sekunden bei Sichtung - egal wie groß der Abstand ist. Da denke ich, dass sie mit dieser Rasse (?, unbekannt, Größe eines Schäferhundes) in ihren ersten beiden Jahren negativ aneinander geraten ist. (Anders kann ich mir diesen krassen Unterschied zu allen anderen Hunden nicht erklären, wo sie zunächst erstarrt, dann fixiert, um dann loszupöbeln.)


    Meine Taktik nach verschiedenen Versuchen ist es einfach "Augen zu und durch". Ohne viel Tam Tam vorbei, dabei sie so kurz halten, daß ich sie gelegentlich sogar in die Luft hebe, und sie dennoch weiter zappelnd auf den Feind zustürmen möchte. Oder ich blocke sie, indem ich mich vor sie stelle und die anderen an uns vorbei gehen können. Dabei wird natürlich nach links und rechts an meinen Beinen vorbei gepöbelt :face_with_rolling_eyes:


    Aber ich liebe diese Ziege trotzdem :grinning_face_with_smiling_eyes:

  • Aber ich liebe diese Ziege trotzdem

    Jaaaa... :smiling_face_with_heart_eyes: Das ist gar keine Frage, gell?


    Was ich bei Rico auch schwierig finde, ist, dass ich keinerlei Muster feststellen kann, bei welchen Hunden er ausrastet und bei welchen nicht. Okay: Mit unkastrierten Rüden geht es mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit schief, bei kastrierten Rüden und Hündinnen habe ich bessere Chancen. Bei größeren und/oder stürmischen Hunden geht es mit großer Wahrscheinlichkeit schief, bei kleineren oder zurückhaltenden habe ich bessere Chancen. Also so "Richtlinien" kann ich festmachen, aber nichts gibt mir irgendeine Garantie. Er ist mir auch schon bei einer kleinen, selber unsicheren Hündin ausgerastet und er hat auch schon einen selbstbewusst-gelassenen intakten Rüden vollkommen friedlich begrüßt. Dadurch muss ich bei jeder einzelnen Begegnung zuerst Ricos Körpersprache einschätzen - was ich inzwischen ganz gut kann, denke ich, aber es kostet Zeit, die mir ggf. zum Reagieren fehlt.


    Heute Morgen beim Spaziergang hatte ich wieder zwei Situationen, die zusammen ein Paradebeispiel ergeben:
    Situation 1: Auf dem Bürgersteig kommt mir ein Mann mit einem CKCS-Rüden entgegen. Da meine Mum die Familie kennt, weiß ich, dass der Hund kastriert ist. Der Mann hatte den Hund an der Flexi, die er zwar so kurz hielt, dass kein direkter Kontakt der Hunde möglich war, aber doch so lang, dass der andere Hund wesentlich mehr Bewegungsspielraum hatte als Rico. Ich konnte gerade noch sagen: "Meiner will keinen Kontakt!" und der Mann wollte daraufhin seinen Hund tatsächlich näher zu sich holen, aber dafür blieb keine Zeit mehr, weil Rico schon lospolterte. Straßenseite wechseln war auch nicht möglich gewesen, weil von hinten laufend Autos kamen, also blieb nur schnell dran vorbei.


    Situation 2: Nur etwa zwei Minuten später. Rico und ich nähern uns einem Haus mit Vorgarten, als in ebenjenem Garten plötzlich jemand hysterisch zu kläffen beginnt. Im nächsten Moment sehe ich das Gesicht eines kleinen Wuschelhundes, das sich gegen die Zaungitter drückt. Rico bleibt stehen. Da ich relativ viel Platz hatte, da neben dem Bürgersteig noch ein leerer Parkstreifen war, beschloss ich, nach BAT zu agieren. Ich ließ Rico also stehen und schauen. Zuerst war er relativ steif, aber ich sah, dass er nicht starrte, sondern Augen, Nase und Ohren permanent in Bewegung waren. Also ließ ich ihn. Er ging etwas näher, aber in leichtem Bogen. Der kleine Wuschel stand steif, starrte und knurrte. Rico sah mich an. Click, Leckerli und ein paar Meter weg, dann wieder drauf zu. Der kleine Wuschel markierte demonstrativ an den Zaun (-> Rüde) und stand, starrte und knurrte dann weiter. Rico lief wieder seinen kleinen Bogen und schaute. Und dann, allmählich, merkte ich, wie sein Körper weicher wurde. Er fing zaghaft an zu wedeln, zuerst nur die Rute, dann schwang das Hinterteil leicht mit. Das Knurren des Wuschels wurde etwas leiser. Rico wedelte heftiger, wobei der ganze Körper immer mehr schlenkerte. Dann noch mal Blick zu mir. Click, Leckerli und ein paar Meter weg. Dann wieder im Bogen zu dem Wuschel, diesmal direkt schlenkernd und wedelnd. Dann begann Rico zu fiddeln; Vorderkörpertiefstellung, leichtes Gewinsel, halbkreisförmiges Herumgehüpfe vor dem Zaun. Der Wuschel hatte inzwischen aufgehört zu knurren, auch wenn er noch nicht so richtig überzeugt wirkte. Auch ich traute dem Braten nicht so ganz (von Ricos Seite schon, aber von Seiten des Wuschels nicht), weshalb ich mich, als Rico sich das nächste Mal zu mir umwandte, zusah, dass wir an dem Grundstück vorbeikamen.


    Dieses Beispiel illustriert ganz anschaulich, wie unterschiedlich Rico sein kann. Beide Fremdhunde waren Rüden, der erste sicher kastriert, beim zweiten weiß ich es nicht (aber vermutlich ebenfalls kastriert), beide etwa seine Größe. Der erste von sich aus friedlich, aber Rico will auf ihn los, der zweite durchaus aggressiv, aber Rico macht (erfolgreich!) gut Wetter. Einerseits freuen mich diese Momente natürlich total, weil es zeigt, dass Rico Fremdhundebegegnungen durchaus friedlich meistern kann. Anererseits macht das fehlende Muster das Ganze eben unberechenbar und dadurch finde ich es schwerer, schnell genug richtig zu reagieren.


    Liebe Grüße
    Amica

    Although I keep my social distance, what this world needs is a hug.
    Until we find a vaccination there's no substitute for love.
    So love yourself and love your family, love your neighbor and your friend.
    Ain't it time we loved the stranger, they're just a friend you ain't met yet.

    Jon Bon Jovi

  • Hmm, Gott sei Dank brauchte er noch nie einen. Müsste ich mal ausprobieren; ich kann ihn da schlecht einschätzen. Manchmal ist er ja schon ein wenig mimimi, andererseits bin ich manchmal auch überrascht, was er sich alles so entspannt gefallen lässt...

    Kannst du ja mal zu Hause probieren. Enzo findet ans Anlegen doof, rennt dann aber draußen ganz normal :face_with_tongue: Kannst auch ein altes T-Shirt anziehen oder ne Socke über den Fuß. Hauptsache man sieht es direkt und es macht den Eindruck :thumbs_up: Dazu ein "Nein der kommt nicht an deine Wunde, nein der tut dir nicht weh" und schon bleiben die HH vorsichtig.

  • @Amica, all die Informationen , die sich bei Rico zu einem Gesamtbild zusammenfügen, warum er den anderen Hund ab kann oder eben nicht, die werden sich dir nie erschließen, denn seine Wahrnehmungswelt ist nun mal eine andere.


    Ich habe bei Lani auch schon mehrfach (peinlich) daneben gelegen, weil ich anderen Hundehaltern erklärt habe, dass sie den Kontakt zu ihrem Hund mit Sicherheit nicht will, während das Lani-Luder mich vorführend fröhlich wedelnd mit der fremden Hündin busselte.


    Is so. :face_with_rolling_eyes:


    Mehr als Situation und Körpersprache haben wir nicht. Vielleicht noch Erfahrungswerte. Aber die helfen oft auch nicht wirklich, denn auch Hunde ändern manchmal einfach ihre Meinung :winking_face:


    :red_heart: liche Grüße von Carola mit Lani :pfote:


    „If you choose to live with a dog please take the time to learn about dog behavior and their individuality and who they are and what they want and need ...“ (Marc Bekoff)

  • @Amica, all die Informationen , die sich bei Rico zu einem Gesamtbild zusammenfügen, warum er den anderen Hund ab kann oder eben nicht, die werden sich dir nie erschließen, denn seine Wahrnehmungswelt ist nun mal eine andere.

    Und trotzdem gibt es ja Hunde, bei denen durchaus ein (für uns) wahrnehmbares Schema zu erkennen ist: Da kann einer nie mit intakten Rüden, oder nie mit größeren intakten Rüden, oder nie mit Schäferhunden... Sooo abwegig finde ich meinen Gedanken, nach einem Muster dahinter zu suchen, daher nun auch nicht.


    Es mag ja sein, dass das Muster, dass bei Rico zugrunde liegt, für mich nicht wahrnehmbar ist, weil es vielleicht mit dem Geruch zusammenhängt oder weil er vielleicht tatsächlich willkürlich agiert (unsereins kann ja auch oft nicht bewusst benennen, warum ihm das Gegenüber X nun unsympathisch ist...). Aber mit diesen ganzen "Nies" ("Er wird seine Abwehrhaltung nie ablegen", "Du wirst das Muster nie erkennen" usw.) werde ich mich (noch) nicht anfreunden, sorry. Das hieße für mich, (jetzt schon) die Hände in den Schoß zu legen, alles zu akzeptieren, wie es ist, und nur noch zu managen. Ich weiß, dass man nicht alles abtrainieren kann (diese Erfahrung habe ich mit meinen letzten Hunden weiß Gott machen müssen), aber ich habe auch gelernt, dass man auch zu früh zu dem Punkt kommen kann, an dem man die Dinge einfach hinnimmt. Ich sehe für Rico schon noch Möglichkeiten. Zum einen, weil ich merke, dass er für Training im Kontext mit Fremdhunden nach wie vor empfänglich ist und Fortschritte machen kann (sie BAT), zum anderen, weil wir, bis ich bei dieser neuen Hundeschule anfing, überhaupt keinen Fachmann an der Seite hatten, der sich mit mir gezielt mit dieser Thematik auseinandersetzen wollte. Und nur weil die 0.8.15-Erziehungsarbeit nicht ausreicht, um eine Verbesserung zu erzielen, heißt das ja nicht, dass man nichts mehr machen kann. Solange ich vielversprechende Ansätze für uns sehe, werde ich die auch nutzen, denn ein Trainingserfolg käme schließlich nicht nur mir zugute, sondern vor allem auch Rico.


    Mir ist bewusst, dass es ein schmaler Grat ist, den Hund einerseits so anzunehmen, wie er ist, ihm aber andererseits durch Training gerade an seinen "Baustellen" zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Unser Antijagdtraining ist für mich das beste Beispiel: Hätte ich zu früh einfach hingenommen, dass Rico halt ein Jäger ist, hätte das für ihn lebenslang Schleppleine geheißen. Durch das Training kann er sich jetzt besser kontrollieren, sodass er öfter ohne Leine laufen kann. Auf der anderen Seite habe ICH aber auch gelernt, welche seiner Bedürfnisse (Nasenarbeit, auspowern etc.) ich wie befriedigen muss, damit er sich überhaupt kontrollieren können kann. Jetzt im Nachhinein bin ich so froh, nicht aufgegeben zu haben, obwohl das Training zwischenzeitlich schleppend war und wir manchmal auch wochenlang auf der Stelle zu treten schienen. Und doch muss - und kann - ich akzeptieren, dass Rico das Jagen im Blut hat und ich wohl nie werde vor mich hinträumen können, während er beim Spaziergang frei läuft.


    Genau so werde ich das beim Begegnungstraining auch handhaben; Akzeptanz gegenüber dem Hund und Dran-Arbeiten schließen sich ja nicht zwangsläufig aus...


    Liebe Grüße
    Amica

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    Jon Bon Jovi

  • Amica, jetzt hast du mich aber ein bisschen überinterpretiert :winking_face:
    Vom Training habe ich gar nicht geredet.
    Und das will ich dir auch nicht ausreden.
    Das hilft euch doch auf vielen Ebenen und ist deshalb sicher einfach gut.


    Alles was ich gesagt habe und sagen wollte, war, dass wir die Schemata, Muster, Rassespezifika... auf die ein Hund negativ anspringt, nie ganz entschlüsseln werden.
    Weil wir nie in ihren Kopf und ihre Erlebniswelt eintauchen können.
    Leider.
    Ich würde gerne mal Lanis Welt sehen und erleben - aus ihrer Perspektive und mit ihren Sinnen! :winking_face_with_tongue:
    Werd‘ ich aber nie (es sei denn, Verschwörungstheoretiker wissen da mehr :smiling_face_with_sunglasses: ) und deshalb wird es bei Vorhersagen über Verhalten immer zu Überraschungen kommen.


    Dass Hunde es trotzdem lernen können, völlig entspannt an anderen vorbeizukommen, ist unbestritten - aber ein anderer Aspekt dieses Themas.


    :red_heart: liche Grüße von Carola mit Lani :pfote:


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  • @DogGirl: Okay, dann habe ich deine Beiträge wirklich ein wenig in den falschen Hals bekommen. Ich hatte den Eindruck, dass du mir das Training ein bisschen ausreden wolltest, da du schriebst, dass Ricos Abwehrhaltung schon zu verfestigt sei, um sie noch abzulegen, dass man hinter seine "Feindbilder" sowieso nie dahintersteigen werde und dass ich doch lieber Begegnungen vermeiden solle, um ihn nicht zu stressen. Zuerst hatte ich deine Beiträge, glaube ich, "richtig" verstanden (also so, wie du sie anscheinend doch gemeint hast), aber in der Summe dachte ich irgendwann: Hmm, will sie mir jetzt echt sagen, ich soll das alles einfach lassen? :astonished_face:

    Aber dann ist ja alles gut! :smiling_face:


    Liebe Grüße
    Amica

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